Quantcast
Channel: Interkulturelle Unternehmensentwicklung » stereotype
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Gefährliche Stereotype? Menschen sind keine Computer

$
0
0
(c)Harald Wanetschka_pixelio.de

(c)Harald Wanetschka_pixelio.de

Stereotype – anscheinend das Schlimmste, was einem passieren kann. Immer wieder finde ich mich in Diskussionen mit Interkulturalisten wieder, in denen es um eine heftige Ablehnung von stereotypisierenden Aussagen geht.

Mich wundert dies. Der Job eines interkulturellen Trainers ist es unter anderem, Modelle zum Verständnis anderer Kulturen zu liefern, was auch fleißig getan wird. Es sollen und werden Aussagen über andere Kulturen getroffen, die immer nur stereotypisierend sein können.

Und doch wird genau dies von vielen Trainern immer wieder abgelehnt. Ich frage mich, wie man mit diesem inneren Spannungsfeld seiner Berufung mit ganzem Herzen folgen kann. Entweder glaubt man selbst nicht, was man sagt, oder man ignoriert eigene Überzeugungen.

Ich gebe gerne zu, dass die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses nicht einfach ist. Dies liegt schon daran, dass wir damit aufgewachsen sind, „bloß keine Stereotype zu haben“. Aussagen über andere zu treffen geht jedoch kaum ohne zu stereotypisieren.

Inzwischen wissen wir sogar aus der Neuroforschung, dass unser Gehirn auf Stereotype angewiesen ist. Die Welt ist viel zu komplex, um ständig in ihrer ganzen Vielfalt erfasst zu werden. Vielmehr müssen wir Vereinfachungen vornehmen und von bestimmten Annahmen ausgehen, um überhaupt funktionsfähig zu bleiben.

Es ist klar, dass uns dies oft in Missverständnisse und auch zu Fehlurteilen führt. Trotzdem geht es nun einmal nicht ohne. Vielmehr sollte es unser Bestreben sein, Stereotype immer wieder zu erkennen und sich dann den Überraschungen eines „fehlerhaften“ Stereotyps zu stellen. Ansonsten werden daraus unhinterfragte Vorurteile, die eine sinnvolle Erfassung von Situationen verhindern.

Wenn man fragt, warum Stereotype so hinderlich im interkulturellen Kontakt sind, wird als Antwort gegeben, dass man damit den Menschen in den anderen Kulturen nicht gerecht wird und sich außerdem ein Fehlverhalten ergibt. Stimmt – das kann und wird passieren, jedoch ganz anders als suggeriert wird.

Wir sind nämlich keine Computer. Das heißt, wir reagieren nicht auf eine neue Information als würde man einen Schalter umlegen. Ein Beispiel: Jemand erfährt im Training, dass „Chinesen tendenziell eine eher gemeinschaftsorientierte kulturelle Prägung als Deutsche mitbekommen haben“. Diese Information führt nicht dazu, dass wir jetzt daraus zwingende Notwendigkeiten ableiten  und nicht mehr in der Lage sind, ein Individuum vor uns zu sehen.

So funktionieren wir schlicht und einfach nicht! Wir wissen inzwischen, dass unser Gehirn nicht wie ein Computer nur logische Verknüpfungen – 1 und 0 – kennt,  sondern mit Vernetzungen und Assoziationen arbeitet. Wir wissen inzwischen, dass wir in gewissem Maße über Empathiefähigkeit verfügen. Wir wissen inzwischen, dass unsere Gefühle einen äußerst starken Einfluss auf unser Wahrnehmen und Handeln haben.

Wenn wir also denken, dass bestimmte Aussagen über andere Kulturen bei unseren Trainingsteilnehmerinnen zu einem quasi automatisch gesteuerten Andersverhalten führen, ohne jede Reflexion darüber, dass – und das ist nun wirklich etwas, dass wir alle wissen – jeder Mensch einzigartig ist, dann halten wir unsere Teilnehmer für dumm.

Da sie dies nicht sind und wir eben neuere Erkenntnisse über die Arbeitsweise unseres Gehirns haben, drängt sich mir der Schluss auf, dass wir keine zu große Angst vor Stereotypen zu haben brauchen. Vielmehr glaube ich, dass wir die Aufgabe haben, Trainingsteilnehmer – abhängig von Ihrem Ausgangswissen – mit Stereotypen und der Fähigkeit, diese zu erkennen, auszustatten haben. Stehen wir dazu!

Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Henkel

erfolgreich-veraendern.de, ein Blog der crossculture academy


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Latest Images